Von den Anfängen bis Ende 2024

Der Berliner Mädchenchor wurde 1986 im Rahmen der kirchenmusikalischen Arbeit an der ev. Lindenkirche vom damaligen Kantor Gerhard Oppelt gegründet. Auslöser war die Geburt seiner zweiten Tochter im selben Jahr. Ziel war es, dass auch Mädchen „eine solide musikalische Grundausbildung bekommen“, die bis dahin bis auf wenige Ausnahmen nur Jungs in Knabenchören geboten wurde. Angeregt durch den Mädchenchor Hannover (gegr. 1952), wollte Oppelt in West-Berlin ebenfalls eine Chorschule für Mädchen aufbauen. Da dieses Unterfangen für eine einzelne Kirchengemeinde kaum zu bewältigen war, suchte er bald schon die Zusammenarbeit mit der Musikschule Wilmersdorf unter dem damaligen Leiter Christian Höppner. Zusätzlich zum Konzertchor der Gemeinde (Ltg. Gerhard Oppelt) wurde ein Nachwuchschor für 6- bis 10-jährige Mädchen ins Leben gerufen. Die Leitung übernahm die Schulmusikerin Karin Drewes, ebenfalls Gemeindemitglied, honoriert wurde sie von der Musikschule. Zur ersten Aufnahmeprüfung im Juni 1987 kamen 28 kleine Sängerinnen.

Zunächst bestand die Chorschule aus zwei Chören, 1993 waren es schon drei. Gesungen wurde in Gottesdiensten. Der Konzertchor sang darüber hinaus in Konzerten mit der Kantorei der Lindenkirche (u. a. „Messe h-moll“ von J. S. Bach, „Weihnachtsoratorium“ von J. S. Bach, „War Requiem“ von B. Britten). Mit letzterem gastierte man 1992 auch in Moskau und St. Petersburg. 1995 trat der Konzertchor gemeinsam mit der Kantorei der Lindenkirche zum ersten Mal im Kammermusiksaal der Philharmonie auf. Gegeben wurde das Oratorium „Saul“ von G. F. Händel.

Im Jahr 1998 übernahm die freischaffende Komponistin, Dirigentin und Musikpädagogin Sabine Wüsthoff die Leitung des Berliner Mädchenchores und erweiterte sein Profil. Sie wurde in den Vorchören noch bis Anfang der 2000er Jahre unterstützt von Karin Drewes. Um zukünftig Probenfahrten, internationale Jugendbegegnungen, Auslandskonzertreisen, außergewöhnliche Projekte und Wettbewerbsteilnahmen zu ermöglichen, gründeten Eltern damaliger Chormädchen 1999 die Gesellschaft zur Förderung des Berliner Mädchenchores e. V. Seitdem stand der Chor auf drei Säulen: Kirchengemeinde (Gründer des Chores, zugleich angestammte Probenstätte), Musikschule (Honorierung der meisten, aber nicht aller Dozent:innen) und Förderverein (Chormanagement).

Mit der Fusion der Berliner Bezirke 2001 fand der Berliner Mädchenchor Einzug in die neu entstandene Musikschule City West. Deren Engagement beschränkte sich weiterhin auf die Honorierung der Lehrkräfte. Der Förderverein schulterte die übrige Finanzierung (Raummieten, Konzert-Reisen, Chorbegnungen, Bezuschussung der Dozent:innen-Honorare, um sich gutes Personal leisten zu können) und erbrachte bis 2023 alle administrativen Leistungen für einen florierenden Chorschulbetrieb.

Die Chorschule entwickelte sich unter der Leitung von Sabine Wüsthoff kontinuierlich. Im April 2000 sangen rund 100 Mädchen in fünf Chorgruppen (zwei Vorchöre II, ein Vorchor I, Kleiner Konzertchor und Großer Konzertchor). Ende Mai 2023 waren es dann 229 Sängerinnen. Auch die Coronazeit überstand der Chor fast unbeschadet, da man konsequent auf digitalen Unterricht umstellte, wobei die Stimmbildung ein deutlich höheres Gewicht bekam. Im September 2023 übergab Sabine Wüsthoff nach 25 Jahren die Chorschulleitung an Patrizia von Palubitzki und die Musikschule erklärte sich zum alleinigen Träger des Chores. Dem Förderverein wurden nach und nach seine Aktivitäten untersagt. Damit findet zurzeit kein systematische Nachwuchswerbung mehr statt, Öffentlichkeitsarbeit und aktive Elternarbeit sind nicht weiter erwünscht, den Finanzierungssäulen der Gesellschaft wurde die Basis entzogen, die Beheimatung in der Lindenkirchengemeinde aufgegeben. Ende 2024 bestand der Chor noch aus 160 registrierten Sängerinnen in fünf aufeinander aufbauenden Klassen: Vorchor, Aufbauchor, Kleiner Konzertchor, Konzertchor und Vokalconsort. War es stets das erklärte Ziel, hochqualifizierte Fachkräfte für eine Tätigkeit im Chor zu gewinnen, wird aktuell den Besten gekündigt, wodurch die Qualität schon jetzt erheblich gelitten hat.

Ein unverwechselbarer Klang und die wirkungsvolle Bühnenpräsenz hatten den Berliner Mädchenchor im Laufe von fast 40 Jahren über die Grenzen des Bezirks und der Stadt hinaus bekannt gemacht. Zuletzt zählte der Chor zu den zehn besten Mädchenchören in Deutschland. Seinen Ruf verdankte er maßgeblich Sabine Wüsthoff, die durch ihr bemerkenswertes musikalisch-künstlerisches Geschick und ihr großes Engagement zu diesem Erfolg beigetragen hat. Der Berliner Mädchenchor gewann unter ihrem Dirigat zahlreiche erste Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben. 2021 wurde STIMMENÜBERLEBEN, ein Musikprojekt über Anne Frank, mit dem OPUS KLASSIK ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielten der Aufbauchor und der Kleine Konzertchor den Kinderchorlandpreis der Deutschen Chorjugend für vorbildliche Nachwuchsarbeit.

Der Berliner Mädchenchor pflegte Kontakte zu anderen Mädchenchören im In- und Ausland. Konzertreisen und internationale Wettbewerbe führten ihn nach Belgien, China, Dänemark, Polen, Israel, Italien, Japan, Lettland, Litauen, Russland, Schweden und Zypern.

Das Ensemble war in Berlin schon in der Philharmonie, dem Kammermusiksaal, dem Konzerthaus, der Waldbühne, dem großen Sendesaal des rbb, dem Radialsystem V, dem Konzertsaal der UdK, dem FEZ, dem Atze-Musiktheater und anderen Konzertstätten zu hören, wie auch in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, der Marienkirche, dem Berliner Dom, der Parochialkirche, der Elisabethkirche u. a. m. Er trat außerdem in sozialen Einrichtungen, bei Kongressen, Festen und ähnlichen Veranstaltungen auf.

Seiner Herkunft und Zugehörigkeit verpflichtet, beteiligte sich der Berliner Mädchenchor bis zum Sommer 2024 auch regelmäßig an Gottes­diensten und Veranstaltungen der Lindenkirchengemeinde und kooperierte im Rahmen der kirchenmusikalischen Arbeit vor allem mit der Berliner Kantorei. Er gab eigene Konzerte, wirkte an Projekten großer Berliner Chöre und bekannter Orchester mit, hat zahlreiche Tonaufnahmen gemacht, war gelegentlich im Fernsehen zu sehen und im Radio zu hören. In welchem Umfang die Aktivitäten in Zukunft weitergeführt werden, ist derzeit ungewiss.

Bis 2023 unterrichteten nachweislich 30 Dozent:innen die jungen Sängerinnen des Berliner Mädchenchores, darunter einige Musiker:innen, die heute an renommierten anderen Einrichtungen tätig sind wie Judith Kamphues (Stimmcoach der Vokalhelden), Gudrun Luise Gierszal (Kinderchorleiterin beim Staats- und Domchor), Imke Lichtwark (Pianistin und Dozentin an der Musikhochschule Weimar) Alexander Merzyn (Generalmusikdirektor am Staatstheater Cottbus), Stelios Chatziktoris (Gründer und Leiter des Hxos-Chor), bzw. erfolgreich als Solokünstler:innen arbeiten wie Eleni Irakleous, Helena Köhne (Alt), Nadja Merzyn (Sopran) und Johanna Kaldewei (Sopran).

Erwähnenswert ist auch, dass der Berliner Mädchenchor im Laufe der Jahre einige Profimusikerinnen hervorbrachte. Soweit bekannt, haben 30 Chorsängerinnen (das entspricht rund drei Prozent aller Mädchen, die jemals im Berliner Mädchenchor gesungen haben, und zehn Prozent derer, die das Chorschulziel Konzertchor erreicht haben) eine Musikerinnen-Laufbahn eingeschlagen oder gehen heute einer Berufstätigkeit in der Musikbranche nach.

Der Berliner Mädchenchor war durch die Gesellschaft zur Förderung des Berliner Mädchenchores e. V. bis Ende 2024 Mitglied im